Die neue Ära der Ibergrennen

Zurück im Jahr 1992: Die Zeit der Wende und der Neuformierung unter dem Dachverband des ADAC Hessen/Thüringen war geschafft. Immer wieder blickten Friedhelm Ferner und einige Gleichgesinnte des Clubs zum Iberg hinauf, hörten im Geist die Motoren brummen und rochen schon förmlich den typischen Duft von Rennbenzin. Lange vor der Wende hatte Ferner stets von einem neuen Bergrennen gesprochen. Und jetzt, mit den veränderten politischen Verhältnissen, rückte die Umsetzung plötzlich in greifbare Nähe. Hartmut Lämmerhirt hatte sich mit seiner Ansprache zum 30-jährigen Clubgeburtstag 1988 mehr oder weniger als Prophet erwiesen. Damals sagte er, die Ibergrennen vor zehn Jahren seien eine andere Welt gewesen und so schnell nicht vergessen. „Immer wieder wurde der Gedanke einer solchen Großveranstaltung aufgegriffen, und nach langer reiflicher Überlegung müssen wir eingestehen, dass selbst, wenn die örtlichen Begebenheiten ein Rennen zulassen würden, wir als MC zur Zeit nicht in der Lage sind, eine solch große Veranstaltung zu organisieren und durchzuführen“, hieß es in der Ansprache. „Mit den nächsten Jahren der Stabilisierung ist es uns vielleicht wieder möglich, aber das wird sich zeigen.“ Diese Stabilisierung sah jetzt aber anders aus, als man 1988 in der DDR noch vermutet hätte. Die Zeichen der Zeit standen günstig. Kurzentschlossen setzten sich die Clubfreunde ins Auto und besuchten ein Bergrennen nach dem anderen, sprachen mit Rennfahrern, Veranstaltern und Kommissaren von ADAC und vom Deutschen Motorsportbund (DMSB), der die Hoheit über die Deutsche Bergmeisterschaft besaß. „Was die können, können wir schon lange“, dachten sich die Heiligenstädter und entwickelten ein neues Konzept für den Iberg. Nebenbei musste sich mit den neuen Regularien und Sicherheitsvorschriften vertraut gemacht werden. Dann rannte man bei der Obersten Nationalen Sportbehörde (ONS) und dem ADAC die Türen ein. Erst wurden die Heiligenstädter belächelt. Zwar gab es nur sieben Bergrennen zur Deutschen Meisterschaft in ganz Deutschland, aber dass ein kleiner Club aus dem Osten gleich einen Meisterschaftslauf ausrichten wollte, schien doch etwas vermessen. Die Heiligenstädter gaben nicht auf. Sie verkürzten die Piste von knapp vier Kilometern auf etwas über zwei, verlegten den Start auf Höhe des Ortseingangsschildes und bestimmten das Ziel neu kurz hinter dem Waldweg zur Klöppelsklus. 1995 wurde die Strecke als potentieller Meisterschaftslauf-Kandidat abgenommen, allerdings erst einmal nur für Tourenwagen. Und im Jahre 1997 war es endlich soweit. Die Strecke war präpariert, von den Offiziellen abgenommen und auch alle Genehmigungen von Land, Landkreis und Stadt eingeholt. Einen wesentlichen Beitrag zum Zustandekommen des ersten Bergrennens der Neuzeit leistete Arno Hermann in Form einer nicht unerheblichen finanziellen Zuwendung. Die ermöglichte es dem Club, die geforderten Sicherheitsstandards für das Bergrennen zu garantieren. Sogar ein Schirmherr war schnell gefunden: der heutige Ministerpräsident des Freistaates Thüringen und damalige Kultusminister Dieter Althaus. Den hatte Friedhelm Ferner zufällig beim Friseur getroffen und die Gunst der Stunde genutzt. Dieter Althaus sagte zu.

Am langersehnten Rennwochenende selbst bezogen 78 Tourenwagen das Fahrerlager am Busbahnhof. Das war für die Feuertaufe ein recht guter Schnitt, zumal sich unter den Rennfahrern Größen des Bergsports wie Norbert Brenner, Georg Plasa und Dieter Knüttel befanden. Da noch niemand im Club selbst eine notwendige Lizenz für eine der Schlüsselpositionen wie Leiter der Streckensicherung oder Rennleiter besaß, halfen Mitglieder des befreundeten Motorsportclubs aus Alzey aus, als so genannte Gastfunktionäre. Ihnen stand je ein Clubfreund aus Heiligenstadt zur Seite, einmal um zu helfen, wo es ging, andererseits aber auch, um den Funktionären über die Schulter zu sehen. Zwei Jahre lang dauerte diese fruchtbare Zusammenarbeit. Friedhelm Ferner bekleidete den Posten als Organisationsleiter, Hartmut Lämmerhirt beispielsweise war in die Streckensicherung mit eingebunden. Was voller Enthusiasmus vorbereitet wurde, erwies sich als großer Erfolg. Zahlreiche Zuschauer strömten an den Berg, um beim III. Ibergrennen und damit bei der Geburt einer neuen Ära dabei zu sein. Es war das erste Bergrennen überhaupt, das nach der Wende in den neuen Bundesländern stattfand. Noch am Rennsonntag selbst wurde beschlossen, dass das erste Rennen der Neuzeit aber auch gleichzeitig dritte Ibergrennen mit Sicherheit nicht das letzte war.

Das war es beileibe nicht. Erneut brummten die Motoren am letzten Juniwochenende des Jahres 1998 in der Kurstadt. Dass der Iberg eine Reise wert war, hatte sich bereits nach der Premiere in Fahrerkreisen herumgesprochen. Und so konnte ein respektables Fahrerfeld von 112 Teilnehmern in die Trainings- und Wertungsläufe geschickt werden. Zur Stelle waren auch wieder neben den Kommissaren von DMSB und ADAC die Sportfreunde aus Alzey, um den Rennablauf zu gewährleisten und die Abende im einzigartigen Fahrerlager zu feiern.

Ein Jahr später dann besaß zum Beispiel Hartmut Lämmerhirt die nationale Lizenz für den Leiter der Streckensicherung. So war ein weiterer Schritt auf das Ziel hin erfolgt, dass in wenigen Jahren sämtliche Leitungsposten bei dem Meisterschaftslauf mit Leuten aus den eigenen Clubreihen besetzt werden können. Die Motorsportfreunde aber ruhten sich auf den Lorbeeren der drei erfolgreichen neuzeitlichen Ibergrennen nicht aus. Bisher durften hier nur die Tourenwagen antreten. Aber um den Iberg noch attraktiver zu machen, noch mehr Rennfahrer ins Eichsfeld zu holen, und vor allem, um den Zuschauern noch mehr Nervenkitzel zu bieten, musste ein Weg gefunden werden, auch die Rennsportfahrzeuge und damit die flachen Formelrennwagen zulassen zu können. Die Sicherheitsvorschriften aber verlangten für diese Klassen und Wagen eine doppelte Leitplanke. Die gab es bisher nicht. Also hieß es für den Club wieder Klinken putzen zu gehen. Mit Hilfe von eigenen Clubmitteln, aus Sponsorengeldern und mit Unterstützung des ADAC gelang es, 50 000 DM aufzutreiben und von diesem Geld die zweite Planke installieren zu lassen, auf der gesamten Strecke von 2050 Metern. Die Hoffnungen erfüllten sich: Die Leitplanke wurde so pünktlich aufgebaut, dass einer Genehmigung zu einem Deutschen Meisterschaftslauf für Rennsportfahrzeuge nach einer neuerlichen Streckenabnahme durch den DMSB nichts mehr im Wege stand und die Ausschreibungen versandt werden konnten. Und so standen am Rennwochenende des Jahres 2000 zum inzwischen VI. Ibergrennen nicht nur über 90 Tourenwagen am Start, sondern zur Premiere des neuen Prädikates auch knapp 20 ein- und zweisitzige Rennsportfahrzeuge sowie Boliden aus den Formelklassen. Unter den Piloten fanden sich bekannte Namen wie Herbert Stenger, Georg Olbrich, Walter Forster und Horst Fendrich. Aber auch die Reihen der Tourenwagen füllten sich nach und nach wieder mit Eichsfelder Fahrern. Im Starterfeld des Jahres 2000 fanden sich Markus Wüstefeld aus Duderstadt, Holger Dörre aus Großbodungen, der Mengelröder Nick Lopotsch und Paul Hüttenmüller aus Heiligenstadt. Und in den hohen Tourenwagenklassen erlebten die zu tausenden gekommenen Zuschauer ein wahres Gipfeltreffen. Georg Plasa, Reto Meisel, Dieter Knüttel, Norbert Handa und Bruno Ianniello, auch „Raketenbruno“ genannt, lieferten sich am Iberg nervenzerreißende Kämpfe um zehntel und hundertstel Sekunden.

Der Motorsportclub Heilbad Heiligenstadt e.V. im ADAC nutzte die nächsten beiden Jahre, um den Ruf und die Qualität des Ibergrennens auf Höchstniveau zu bringen. Inzwischen hatte man fast alle gängigen Prädikate im Deutschen Bergrennsport nach Heiligenstadt geholt, man fuhr die Meisterschaft, den Bergpokal, den KW-Gruppe H-Bergcup, den Fiat-Lancia-Bergpokal, der NSU-Berg-Cup und, und, und… Das Fahrerfeld hat sich bereits 2001 auf knapp 140 Piloten eingependelt. Zum Jahr 2002 wurde die Reihe der Heiligenstädter Clubfahrer um einen weiteren Mann verstärkt: Thomas Klingelberger holte sich in seiner ersten Saison gleich den Sieg in der 8-Ventiler-Wertung. Zudem richtete der Motorsportclub während des Ibergrennens erstmals die Fachkonferenz aller an der Deutschen Bergmeisterschaft beteiligten Veranstalter aus. Einmal war das eine interne Auszeichnung für die Qualität der Veranstaltung, andererseits liegt Heiligenstadt geographisch günstig in der Mitte Deutschlands und der Termin zeitlich etwa in der Mitte der einzelnen Rennläufe. Mittlerweile hatte sich auch der Nachwuchs im Club selbst auf den Hosenboden gesetzt und Lizenzen gesammelt. Kevin Ferner zum Beispiel erwarb die Streckensicherungsleiter-Lizenz und holte Leander Birkl als seinen Stellvertreter mit ins Boot. Im Jahr 2002 war es dann auch soweit. Hartmut Lämmerhirt hatte den Club aus privaten Gründen verlassen, aber vorher sichergestellt, dass der Rennablauf nicht gefährdet wird. So kümmerte sich Kevin Ferner im Jahr 2002 beim VIII. Ibergrennen um die Sicherheit, als Rennleiterin fungierte letztmalig die aus Wiesbaden stammende Ricky Dietzler, die das Ibergrennen schon die Jahre zuvor begleitet hatte. Doch kaum war das Rennen vorbei, setzte sich Kevin Ferner erneut an den Schreibtisch und büffelte für die Rennleiter-Lizenz. Die sollte er auch bald brauchen.

Im Jahr 2002/2003 drehte sich in der Rennleitung das Personalkarussell. Friedhelm Ferner war zu Beginn des Jahres 2002 zum kommissarischen Vorsitzenden des Clubs ernannt worden, nachdem Hans-Joachim Liesenfeld dem Verein den Rücken gekehrt hatte. Ferner legte daraufhin zur Saison 2002 den Posten des Organisationsleiters nieder und gab sein „Kind“ vertrauensvoll in die Hände von Hermann Ludolph, der bisher jahrelang im Vorstand als Schatzmeister gewirkt hatte. Dieser Posten ging wiederum an Stephan Scholle über. Für Hermann Ludolph war sein erstes Rennen als Organisationsleiter eine riesige Herausforderung, da er eigentlich nur drei Monate Vorbereitungszeit hatte. Und ein Jahr später kam es noch schlimmer: Nicht nur, dass sich jetzt auch als nächstes Prädikat der Boxer-Pokal mit einem ganzen Schwung Käfer angesagt hatte – als einziger Veranstalter in Deutschland durfte der Heiligenstädter Club zu seinem IX. Bergrennen einen Lauf zur FIA-European-Hillclimb-Challenge ausrichten, also zum Europa-Bergpokal. Somit bekamen es Ludolph und der Rest der sehr gut eingespielten Rennleitung nicht nur mit den altbekannten, Technischen- und Sportkommissaren von DMSB und ADAC zu tun, sondern nun auch mit internationalen Beobachtern der Fédération International D’Automobile (FIA), der weltweit obersten Motorsportbehörde.

Mehrfach statteten FIA-Observer dem Iberg einen Besuch ab, inspizierten die Strecke, hatten hier noch Änderungswünsche und dort noch Hinweise, ehe die Piste endgültig für den Europa-Bergpokal-Lauf abgenommen wurde. Hinzu kam, dass Kevin Ferner gerade noch rechtzeitig etwa vier Wochen vor dem Rennen seine Rennleiterlizenz bei einem Lauf zur Deutschen Tourenmeisterschaft (DTM) auf dem Nürburgring erwerben konnte. Leander Birkl legte zudem seine Prüfungen zur Lizenz zum Leiter der Streckensicherung ab. Die beiden, gerade einmal 25 Jahre jung, bildeten somit das jüngste Rennleiterteam Deutschlands, während Kevin Ferner zum jüngsten Rennleiter aller Zeiten in Deutschland wurde. Man berief ihn zudem in die Arbeitsgemeinschaft Berg (AG Berg) beim DMSB. Hinter der Rennleitung, zu der auch Friedhelm Ferner als Vorsitzender und „Vater“ des Bergrennens weiterhin gehörte, lag ein Jahr beinharte Arbeit, bei der unter anderem die Ausschreibungen auf Englisch versandt werden mussten. Auch gab es in diesem Jahr eine Änderung im Reglement der Bergmeisterschaft. Alle Wertungsläufe mussten derart im Zeitplan über die Bühne gehen, dass Zeit für die Top 20 blieb. Mit dieser Neuregelung sollten jeweils die besten zehn der Tourenwagen und der Rennsportfahrzeuge in zwei Extra-Läufen um den Tagessieg kämpfen.

Die Mühe sollte sich lohnen. Das Rennen lief wie am Schnürchen, 130 Rennfahrer aus insgesamt sechs Nationen bezogen das Fahrerlager, in dem es am Abend noch Live-Musik im Festzelt gab. Nebenbei richteten die Motorsportler zum dritten Mal nacheinander die Fachkonferenz der Bergrennsportveranstalter aus. Zuschauer, Veranstalter und Rennteams feierten bis in die Nächte. Zu Gast war zudem der FIA-Observer Jan Mienkinsky aus Österreich, der am Sonntagabend völlig begeistert im Festzelt dem Motorsportclub mitteilte, er habe noch nie so ein perfektes Rennen gesehen. Das Sahnehäubchen auf das bisher erfolgreichste Motorsportjahr setzte am Ende der Saison noch Clubfahrer Markus Wüstefeld auf: Er holte den Vizemeistertitel der Deutschen Bergmeisterschaft für Tourenwagen ins Eichsfeld. In diesem Jahr schrieb der Heilgenstädter Motorsportclub ein langes Kapitel Rennsportgeschichte. Das jüngste Rennleitungsteam aller Zeiten in Deutschland mit Kevin Ferner und Leander Birkl wirkte nicht nur am Iberg, sondern wurde auch gebeten, bei den Bergrennen in Osnabrück sowie dann beim neuen Lauf im Thüringer Wald die Leitung der Rennen zu übernehmen. Am Kyffhäuser kümmern sie sich jährlich um die Streckensicherung.

Die Clubmitglieder begannen außerdem, die Rennstrecke für die Zuschauer noch attraktiver zu gestalten. In wochenlangen Arbeitseinsätzen schnitten sie in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden größere Sichtfenster ins Gebüsch an der Piste, befestigten die Wege, legen Naturtreppen und Terrassen für die Besucher an, um ihnen an den attraktivsten Punkten der Rennstrecke optimale Sicht zu ermöglichen. Zudem wurde ständig die Werbung und die Präsentation nach außen ausgebaut.

Im Jahr 2004 stand mit dem zehnten Ibergrennen ein kleines Jubiläum ins Haus. Die Rennleitung rund um Organisationsleiter Hermann Ludolph entschied sich, noch einmal den FIA-Europa-Berg-Pokal auszurichten. Beim Rennwochenende begrüßten die Heiligenstädter Piloten aus neun Nationen zum mittlerweile, als Internationales ADAC-Ibergrennen, bekannten Event. Ein riesiges Fahnenmeer schmückte die Meile zwischen Fahrerlager und dem Startbereich. Das Organisationsteam hatte alle Hände voll zu tun, die internationale Presse auf dem Gelände zu betreuen, sogar aus Kroatien rückten Kamerateams an. Als besonderes Schmankerl für die Zuschauer schaffte es der Motorsportclub, eine ganze Reihe historische Rennwagen aus der Formel „Easter“ an den Iberg zu locken. Für die Fahrer der Formel B8- und MT 77-Boliden war es Nostalgie pur, wie in den 70er Jahren erneut am Iberg zum Gipfelsturm anzutreten. Gedankt wurde dem Club dieses Engagement durch tausende Zuschauer an beiden Renntagen.

2005 platzte das Fahrerlager aus allen Nähten. Zugunsten des Gruppe-H-Cups verzichtete die Clubleitung auf einen weiteren European-Hillclimb-Challenge-Lauf. Da das Fahrerlager räumlich begrenzt ist, wollte man denjenigen Rennfahrern, die dringend Punkte für die Deutsche Bergmeisterschaft benötigen, jede Chance einräumen. Über 150 Rennfahrer, einige von ihnen zum ersten Mal da, kämpften um die besten Standplätze. In dem am deutschen Berg einzigartigen Fahrerlager mit Restaurant, Supermarkt, Bäckerei, Bank und Tankstelle war keine handbreit Platz mehr frei. Wie in einer Sardinenbüchse drängte sich Rennwagen an Rennwagen, die gerade mal die Gasse freiließen, um überhaupt an den Vorstart zu kommen. Allein sieben eigene Clubfahrer des MC Heiligenstadt boten den Bergsportgrößen die Stirn. Unter ihnen der Newcomer René Lämmerhirt, der sein erstes Bergrennen überhaupt auf heimischem Terrain bravourös absolvierte. Neben Thomas Meier – seit 2001 Stammgast-, Thomas Klingelberger, Wolfgang Glas, Nick Lopotsch und Markus Wüstefeld blieb auch Klaus Pfannschmidt mit seinem Camaro ein treuer Freund und Mitglied des MC. Mit 71 Jahren ist Pfannschmidt in diesem Jahr der älteste Rennfahrer Deutschlands. Große Freude herrschte im Club, als Georg Plasa nach einigen Jahren Abstinenz am Iberg anfragte, ob er kommen dürfe. Plasa hatte sich aus der Deutschen Bergmeisterschaft verabschiedet und bereitete sich 2005 auf den Einstieg in die Europameisterschaft vor. Den Iberg hatte er sich als einzige deutsche Teststrecke für seinen 550 PS starken BMW 320 V8-JUDD ausgesucht. Natürlich hießen die Heiligenstädter ihn herzlich willkommen. Beim XI. Ibergrennen fand zudem eine besondere Aktion statt: Der befreundete Motorsportclub aus Hausen in der Rhön bat um Mithilfe, um einem fünfjährigen Jungen aus dem Ort, Konstantin, vielleicht das Leben zu retten. Konstantin war an Leukämie erkrankt und benötigte dringend einen Knochenmarkspender. Die Heiligenstädter ließen sich nicht lange bitten und ermöglichten während der Veranstaltung in den Räumen der Prager Schule, die auch das Rennbüro beherbergt, eine Typisierungsaktion gemeinsam mit Mitarbeitern der DKMS, der Deutschen Knochenmarkspenderdatei. 120 Menschen, darunter Rennfahrer, Mechaniker und Besucher sogar aus Luxemburg ließen sich Stammzellen entnehmen, um in die Datei aufgenommen zu werden. Wenn schon nicht für Konstantin, so kann ihre Spende vielleicht einem anderen Menschen das Leben retten.

Neben dieser einzigartigen sozialen Aktion boten die Heiligenstädter den Gästen aber noch ein besonderes Highlight neben und auf der Piste. Sie schafften es, den mehrfachen Trialweltmeister und Weltrekordhalter im Wheelie-Kreise-Fahren, Horst Hoffmann, als Stargast zu engagieren. Er bot den Besuchern nicht nur am Samstagabend zwei Atem beraubende Shows im Fahrerlager – mit dabei auch das erst 15-jährige Heiligenstädter Nachwuchs-Talent Franz Mayer -, sondern sorgte am Sonntag zwischen den Wertungsläufen auf der Rennstrecke für Jubel in den Zuschauerreihen. Und auch Kevin Ferner, im Bergsport als Rennleiter bekannt, fuhr seine erste Saison selbst im Bergsport mit. Mit seinem Polo G40 geht er seitdem bei Rennen, die er nicht selbst leitet, in der Gruppe G an den Start. Für ihn eine wertvolle Erfahrung, denn so kann er den Rennsport aus der Sicht der Fahrer sehen und als Rennleiter bessere Entscheidungen treffen. Kevin Ferner holte in den Jahren 2005, 2006 und 2007 mehrere zweite und dritte Plätze in seiner Gruppe, verlegte sich aber vorerst mehr in den Slalom-Bereich.

Das Bergrennen des Jahres 2006 schließlich hielt wieder einmal so einige Überraschungen für die Zuschauer parat. Insgesamt wurden Läufe in 14 Prädikaten am Iberg ausgetragen. Als Mega-Stargast kam Formel-Eins-Rennfahrer Timo Glock zu Gipfelsturm. Er hatte mehrere Rennen im Jahre 2004 für den Rennstall Jordan als Ersatzfahrer für Giorgios Pantano absolviert und wichtige Punkte für die Konstrukteurswertung des Jordan-Teams in der F1-WM gesichert. Einen weiteren Namen machte er sich in der amerikanischen GP2-Series, die er regelrecht dominierte. Zeitgleich avancierte er 2007 zum Testfahrer im Formel-Eins-Team BMW-Sauber. In der Saison 2008 wurde er zum offiziellen Einsatzfahrer des F1-Teams Toyota als Teamkollege von Jarno Trulli ernannt und ist damit der fünfte deutsche Fahrer in dieser Saison in der Königsklasse. Timo Glock stieg bei seinem Besuch am Iberg in den Mitsubishi Lancer Evo 8 von Bergrennfahrer Achim Kreim und zeigte, dass er nicht nur auf der Rundstrecke, sondern auch am Berg zu fürchten ist. Desweiteren feierte Reto Meisel, ehemaliger Schweizer Bergmeister, ein grandioses Comeback in der Deutschen Bergmeisterschaft. Er nutzte die Saison 2006, um seinen Mercedes 190 JUDD zu testen und abzustimmen. Am Iberg sorgte er für Raunen an der Strecke. Auch Horst Hoffmann war wieder mit von der Partie. Und nicht zuletzt sorgte Patrik Zajelsnik für einen neuen absoluten Streckenrekord: Er jagte seinen Osella PA/20 in nur 54,017 Sekunden ins Ziel.

Doch kaum war das XII. Ibergrennen 2006 verstrichen, brach für die Rennleitung und den Motorsportclub erneut eine sorgenvolle Zeit an. Immer wieder machten sich Gerüchte in der Region breit, dass demnächst eine große Kaufhauskette am alten Busbahnhof investieren wolle, das bestehende Gebäude teils abgerissen, teils umgebaut werden würde. Sollten sich die Gerüchte bewahrheiten, wäre dies das endgültige Aus des Ibergrennens, da sich jährlich das Driver’s Camp genau auf dem betroffenen Areal ausbreitet. „Ohne dieses einzigartige Fahrerlager kein Rennen mehr“, gab es keine Alternative, egal, in welche Richtung die Gedanken hinter den sorgenzerfurchten Stirnen der Rennleitung auch wanderten. Im Oktober 2006 schließlich ging ein Aufatmen durch die Reihen, als die Nachricht kam, dass in absehbarer Zeit erst einmal nichts geschehe. Daraufhin ging die komplette Rennleitung rund um Organisationsleiter Hermann Ludolph für ein Wochenende in Klausur. Damit es eine fruchtbare Diskussion ohne Störungen wird, reiste man nach Osterode/Harz, wo Rennfahrer Uwe Kaufel seinen Gasthof beziehungsweise seine Formel-Eins-Simulator-Räume für ein Wochenende zur Verfügung stellte. Bis in die Nacht wurde, nachdem ein einstimmiges „Ja“ aller Leitungsmitglieder zur Mitarbeit an weiteren Ibergrennen fiel, eifrig an neuen Ideen gefeilt und an der Verbesserung bestehender Aufgaben gearbeitet. Zum Beispiel wurde die Moderation der Veranstaltung, da der langjährige Streckensprecher Hannes Martin aus Gaggenau diese Position nicht mehr ausfüllen würde, in einem völlig neuen Kommentatorenkonzept verankert: Antenne-Thüringen-Stimme Adi Rückewoldt ging am Mikrofon als „Laie“ ins Zwiegespräch mit dem Experten Ulrich Kohl. Die Klausurtagung wirkte sich zudem dahingehend aus, dass sämtliche Leitungsmitglieder voller Enthusiasmus ihre Energie in die Vorbereitung der 13. Auflage steckten, zumal Bürgermeister Bernd Beck selbst dem Club noch einmal versicherte, dass die Stadt Heilbad Heiligenstadt helfe, wo sie könne, das Prestige-Objekt Ibergrennen zu bewahren. Der Dank für die monatelange Arbeit der Rennleitung war ein neuer Nennungsrekord im Fahrerfeld und 3500 begeisterte Zuschauer. Die reisten aus weiten Teilen Hessens, Niedersachsens und Thüringens an. Der Schweizer Reto Meisel brannte zudem einen neuen Streckenrekord für Tourenwagen auf den Asphalt: Er bezwang den Iberg in nur 56,418 Sekunden und pulverisierte damit den zwei Jahre lang unangetasteten Rekord von Georg Plasa. Zum Ende der Saison 2007 feierte er auch den unangefochtenen Meistertitel. Zudem war es organisationstechnisch das perfekteste Rennen in der mittlerweile 49-jährigen Geschichte des Motorsportclubs. Und die 14. Auflage steckt bereits in den Startlöchern: Das Bergrennen 2008 wird am 28. und 29. Juni 2008 auf der Traditionspiste ausgetragen.